Die Rechte des Ölkonzerns YUKOS wurden laut dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte teilweise verletzt
Am 20. September 2011 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte das Urteil zum Verfahren OAO Neftyanaya kompaniya YUKOS vs. Russland, Klage Nr. 14902/04 verkündet. Die wichtigsten Punkte sind:
- Mit sechs zu einer Stimme wurde die Verletzung des Rechts von YUKOS auf ein gerechtes Gerichtsverfahren hinsichtlich der Steuerhinterziehung anerkannt, da zur Vorbereitung nicht genügend Zeit gegeben wurde (4 Tage für die Lektüre von mindestens 43.000 Aktenblätter im Gericht der 1. Instanz sowie 21 Tage für die Vorbereitung zur Verteidigung im höherstehenden Gericht); dabei wurde abgewiesen, dass die Handlungen gegen YUKOS willkürlich oder ungerecht waren, dass die Handlungen der Verteidigung durch willkürliches und ungerechtes Verhalten des Gerichts eingeschränkt wurden, dass das Moskauer Stadtgericht das Urteil ohne Analyse der Beweise fällte und dass die Möglichkeit von YUKOS, in Berufung zu gehen, unter Verletzung des Rechts auf ein gerechtes Verfahren beschränkt wurde;
- Mit vier zu drei Stimmen wurde anerkannt, dass die Rechte auf den Schutz des Eigentums von YUKOS bei der Berechnung und Verhängung der Strafe verletzt wurden, da die angewandte Gesetzgebung, die die Verjährungsfrist festsetzt, rückwirkend geändert wurde. Dies ermöglichte nicht nur allgemein die Heranziehung zur strafrechtlichen Verantwortung, sondern erhöhte die Strafe für die Steuerhinterziehung aus dem Jahre 2001 um das Doppelte;
- Mit fünf zu zwei Stimmen wurde anerkannt, dass das Recht auf den Schutz des Eigentums bei der Zwangsvollstreckung verletzt wurden, da 1. die Möglichkeiten, die Verbindlichkeiten ohne die faktische Zerstörung des Konzerns einzutreiben, nicht mit der nötigen Sorgfalt erwogen wurden und 2. eine Insolvenzgebühr in Höhe der gesetzlich unabänderlich festgelegten 7% eingefordert wurde, obwohl dies in diesem Fall in Bezug auf die Vollzugskosten vollkommen unverhältnismäßig ist;
- Einstimmig wurde beschlossen, dass keine weiteren Hinweise für Verstöße gegen den Schutz des Eigentums vorliegen;
- Desweiteren wurde einstimmig beschlossen, dass keine Diskriminierung von YUKOS in Bezug auf den Schutz des Eigentums vorliegt, es wurde jedoch anerkannt, dass die dem Ölkonzern auferlegte Strafe unverhältnismäßig hoch war;
- Einstimmig wurde der Vorwurf abgewiesen, dass das Gerichtsverfahren mit einem anderen Ziel als der Eintreibung der hinterzogenen Steuern und zur Bestrafung der Rechtsverstöße geführt worden und politisch motiviert gewesen sei;
- Einstimmig wurde beschlossen, dass es nicht notwendig ist, die Frage der Verletzung des Rechts auf eine effektive innerstaatliche Rechtsverteidigung von YUKOS sowie die Frage, ob YUKOS nur eine gesetzlich begründete Strafe auferlegt wurde, getrennt zu untersuchen;
- Die Entschädigungssumme für die im Verfahren gegen den YUKOS vorgefallenen Rechtsverstöße wurde noch nicht festgelegt (Der Ölkonzern hat mehr als 81 Milliarden Euro Schadensersatz gefordert).
Das Urteil der Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist noch nicht abschließend. Es kann innerhalb von drei Monaten von beiden Parteien – dem Antragsteller sowie dem angeklagten Staat – angefochten und anschließend von der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte verhandelt werden. Das Urteil wird nicht rechtskräftig, wenn sich wenigstens eine der Parteien mit der Bitte um Berufung an das Gericht wendet und das Gericht diese Bitte erfüllt. Wird die Bitte jedoch abgelehnt, tritt das Urteil am Tag der Ablehnung in Kraft. Wendet sich keine der Parteien mit einer Berufungsklage an das Gericht, tritt das Urteil mit Ablauf der genannten dreimonatigen Frist in Kraft.