Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten von ordentlichen Gerichten in Russland
Die Verordnung Nr. 21 des Plenums des Obersten Russischen Gerichtshofs vom 27.06.2013 erläutert die Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 04.11.1950 sowie der dazugehörigen Protokolle.
In der Verordnung wird unter anderem folgendes gesagt:
- Rechtliche Positionen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte werden bei der Anwendung der russischen Gesetzgebung beachtet. Der Inhalt der Rechte und Freiheiten, die von der russischen Gesetzgebung garantiert werden, müssen unter Berücksichtigung des Inhalts vergleichbarer Rechte und Freiheiten, der vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte bei der Anwendung der Konvention und der dazugehörigen Protokolle ausgelegt wird, bestimmt werden. Dabei kann die russische Gesetzgebung einen höheren Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten im Vergleich zu den von der Konvention und den Protokollen garantierten festlegen. In solchen Fällen müssen die Gerichte Bestimmungen der russischen Gesetzgebung anwenden;
- Gerichte müssen bei der Verhandlung von Rechtsstreitigkeiten die Einschränkung von Menschenrechten und Grundfreiheiten immer ausgehend von den festgestellten Umständen begründen. Ein Einschränkung der Menschenrechte und Grundfreiheiten ist nur zulässig, wenn eine relevante und ausreichende Begründung dafür vorliegt, sowie wenn die Balance zwischen den gesetzlichen Interessen der Person, deren Rechte und Freiheiten beschränkt werden, sowie den gesetzlichen Interessen anderer Personen, des Staates und der Gesellschaft gewahrt werden;
- Die Notwendigkeit, Gerichtsverfahren innerhalb angemessener Fristen zu verhandeln, kann nicht als Rechtfertigung für die Einschränkung anderer von der Konvention garantierter Rechte dienen, deshalb darf das Gericht nicht unter dem Vorwand des Zeitdrucks die Untersuchung von Beweisen, die für eine vollständige und objektive Klärung eines Rechtsstreits notwendig sind, ablehnen. So wird auch die Gleichheit der Parteien im Prozess gewährleistet;
- Die Bestimmungen von Artikel 5 Punkt 4 der Konvention legt in der Auslegung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrecht das Recht einer Person, die festgenommen oder der die Freiheit entzogen ist, darauf, dass ein Gericht innerhalb kurzer Frist über die Rechtmäßigkeit der Freiheitsentziehung entscheidet und ihre Entlassung anordnet, wenn die Freiheitsentziehung nicht rechtmäßig ist. Gerichte der zweiten Instanz prüfen eine Beschwerde und (oder) einen Antrag in der in Artikel 108 Teil 11 des russischen Strafgesetzbuches festgelegten Frist, d.h. spätestens drei Tage nach ihrem Eingang.
In diesem Zusammenhang müssen Gerichte nach Eingang der Beschwerde und (oder) des Antrags auf den Beschluss über eine Festnahme (Verlängerung einer Festnahme) als strafrechtliche Präventionsmaßnahme die entsprechenden Aktenmaterialien sofort für das Berufungsverfahren versenden.